Zwei Schulen unter einem Dach – „Das Gefühl des Miteinander weiter fördern“

Wenden. Ein vieldiskutiertes Thema Anfang der 80er Jahre war innerhalb der Gemeinde Wenden die Einführung einer Realschule. Das Für und Wider des neuen Schultyps wurde von Kommunalpolitikern, Lehrern, Eltern und Schülern in zahllosen Gesprächen immer wieder erörtert. Im August 1983 war es dann soweit: mit dem Beginn des neuen Schuljahres nahmen die ersten 41 Schüler den Unterricht in der Realschule auf. Sicherlich nicht ganz alltäglich ist dabei die Tatsache, daß sowohl die Gemeinschaftshauptschule als auch die Realschule gemeinsam in einem Gebäude, dem Konrad-Adenauerschulzentrum, untergebracht sind.


Ursprünglich nur Gemeinschaftshauptschule

Im September 1976, als noch niemand an eine eigene Realschule dachte, wurde die damalige Konrad-Adenauer-Schule als Gemeinschaftshauptschule seiner Bestimmung übergeben. Bis zu jenem Tag hatte jede größere Ortschaft der Gemeinde Wenden ihre eigene Hauptschule. „Schüler und Eltern hätten es damals lieber gesehen, wenn die Schulen in den Dörfern geblieben wären. Sogar die Lehrer hätten dort gerne weiter unterrichtet“, machte Wilhelm Becker, Schulleiter der Gemeinschaftshauptschule (GHS), auf die ersten Schwierigkeiten der Anfangsjahre aufmerksam. „Die Schaffung eines ,WirGefühls‘ bei Lehrern, Schülern und Eltern war die primäre Aufgabe jener Zeit“, fuhr Becker fort. Das Lehrerkollegium mußte im ersten Schuljahr den Ansprüchen von 1200 Schülern in 34 Klassen, wobei der Durchschnitt der Schülerzahl pro Klasse bei 35 lag, gerecht werden. Wahrlich keine leichte Aufgabe für die rund 40 Lehrpersonen.

Heute unterrichten 43 Lehrer, davon sind 38 voll- und fünf teilzeitbeschäftigt, die 652 Schüler und Schülerinnen, die in 29 Klassen untergebracht sind. Diese Zahlen zeigen, daß die GHS in den letzten Jahren eine ständig sinkende Schülerzahl zu verzeichnen hat. Elmar Düweke, stellvertretender Rektor der GHS, begründet diesen Trend so: „Auch die Gemeinde Wenden ist vom Geburtenrückgang betroffen, so daß es allein aus diesem Grund weniger Schüler gibt. Doch mit der Einführung der Realschule wurde diese Lücke noch größer. In diesem neuen Schuljahr haben wir rund 80 Schüler weniger zu unterrichten.“

Ernst Bernemann, Schulleiter der Realschule, kann verständlicherweise auf positivere Schülerzahlen zurückgreifen. Allein in diesem Jahr waren 66 Neuanmeldungen zu registrieren. Zur Zeit werden 155 Jungen und Mädchen in sechs Klassen von neun Lehrkräften unterrichtet. In diesem Zusammenhang drängt sich dem Außenstehenden natürlich die Frage auf, ob es durch diesen Umstand nicht zu einem harten Konkurrenzkampf um die Schüler kommtSchüler „Bezüglich der Schulwahl liegt die Entscheidung hauptsächlich bei den Eltern“, erklärte Ernst Bernemann, während Wilhelm Becker hier schon eine gewisse Problematik zu erkennen glaubt. „Beide Schultypen sind weiterführende Schulen der Sekundarstufe I und bieten dem Schüler fast gleichwertige Abschlüsse, so daß wir letztendlich den gleichen Schülerkreis ansprechen“, argumentierte Becker. Wichtig ist dabei die neue Regelung für Gymnasien und Realschulen, die ab l. August dieses Jahres ebenfalls den Hauptschulabschluß vermittelt.

Vergleicht man die Schulabschlüsse der Realschule mit denen der Gesamthauptschule, so sind eigentlich kaum Unterschiede zu erkennen. Bei beiden Schultypen erreicht der Schüler nach der Klasse 9 den Hauptschulabschluß. Nach erfolgreichem Abschluß der 10. Klasse kann der Realschüler drei verschiedene Beurteilungen erhalten: Den qualifizierten Hauptschulabschluß, die Fachoberschulreife (mittlere Reife) und die besonders qualifizierte Fachoberschulreife mit dem Qualifikationsvermerk, die gymnasiale Oberstufe besuchen zu dürfen. Demgegenüber stehen folgende Abschlüsse der Gesamthauptschule. Auch hier wird nach drei Kriterien beurteilt. Wer das 10. Schuljahr, auch Pflichtschuljahr genannt, besucht, erhält den normalen Hauptschulabschluß, ebenso beim Typ 10 A, jedoch mit der Ergänzung, daß man nach einer dreijährigen Lehre und einem weiterführenden Kurs in Englisch die Fachoberschulreife erlangen kann. Wer das 10. Schuljahr mit dem Typ 10 B erfolgreich absolviert, der erhält die Fachoberschulreife mit der Qualifikation zum Besuch der gymnasialen Oberstufe.

Als Schwerpunkt ihrer pädagogischen Aufgabe bezeichnen beide Schulleiter die Vorbereitung der Schüler auf die spätere Berufswelt, wobei der Realschüler im Hinblick auf den Wechsel zum Gymnasium gerade im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich noch intensiver gefordert wird. Überhaupt bereiten die Gymnasiasten, die den Anforderungen nicht gewachsen sind und die Schule wechseln, vor allem Rektor Wilhelm Becker Kopfzerbrechen. Anstatt von nun an die Realschule zu besuchen, möchten diese Schüler ihren Abschluß an der Gesamthauptschule machen. Während Realschulleiter Bernemann für dieses Phänomen keine Erklärung fand, analysierte Rektor Becker die Problematik wie folgt: „Wenn die Eltern merken, ihr Kind schafft das Gymnasium nicht, dann sagen sie sich, ,keine Experimente mehr, daß Kind geht zur Hauptschule‘.“ In Zukunft möchte die Schulleitung der GHS dieser Entwicklung erst einmal einen Riegel vorschieben, indem man jene Schüler zu einem Informationsgespräch an die Schulleitung der Realschule verweist. Übereinstimmend vertraten beide Rektoren die These, daß ein Teil der Schüler, die das Gymnasium besuchen, eigentlich auf die Realschule gehörte, und daß ein Teil der Realschüler in der Gesamthauptschule besser aufgehoben wäre.

Die Tatsache, daß die Realschule der Hauptschule Schüler „wegschnappt“, hat natürlich auch positive Aspekte. Durch geringere Schülerzahlen schrumpft die Klassenstärke, was einen optimaleren Unterricht zur Folge hat. „In den Anfangsjahren war bei den sehr hohen Schülerzahlen ein geregelter Schulbetrieb nur schwer möglich. Heute sind die Voraussetzungen besser“, bestätigte Elmar Düweke. Leere Klassenzimmer befürchten in Zukunft weder Gesamthauptschule noch Realschule. Zieht man die neuesten Geburtenziffern der Gemeinde Wenden zu Rate, so können die Pädagogen des Konrad-Adenauerschulzentrums ihren Arbeitsplatz als gesichert ansehen (die SZ berichtete).

Rege Zusammenarbeit

Recht rege ist auch die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Schülern und Eltern. Als wahrlich beispielhaft ist dabei sicherlich die Eigeninitiative von Realschulleiter Ernst Bernemann zu bezeichnen, der, nachdem ihm alle Neuanmeldungen vorliegen, persönlich zu jedem Schüler ins Haus kommt, um mit dem Schüler und den Eltern zu sprechen. Dies gilt ebenfalls für jene Jungen und Mädchen der Realschule, die während der Schulzeit schulische Probleme haben. Auch das Lehrerkollegium der Gesamthauptschule versucht durch Gespräche und schulische Veranstaltungen einen guten Kontakt zu Schülern und Eltern aufzubauen. „Wir wollen dem Schüler das Gefühl vermitteln, daß er hier zu Hause ist“, erklärt Rektor Becker. Ein recht gutes Verhältnis hat die GHS zu außerschulischen Mitarbeitern und Wirtschaftsunternehmen. Dies ist auch erforderlich, da die Schüler während ihrer Schulzeit in den Klassen 8 und 10 ein Betriebspraktikum absolvieren müssen.

Ernstere Schwierigkeiten bringt die Tatsache mit sich, daß beide Schultypen in einem Gebäude untergebracht sind. So gibt es Probleme in einigen Teilbereichen der gemeinsamen Verwaltung, bei der Benutzung der Klassenräume, beim Materialverbrauch und bei der Schüleraufsicht. „Natürlich versucht jeder Schulleiter das Beste für seine Schule zu erreichen“, meinte Wilhelm Becker, doch seien sich beide Rektoren einig, daß diese Probleme von ihnen gemeinsam gelöst werden müßten. Durch den geplanten Ausbau der Schule durch den Schulträger, wird demnächst bereits auf diesem Wege erste Abhilfe geschaffen werden. Erfreulich ist, daß man mit den 62 ausländischen Schülern und Schülerinnen – 60 in der GHS und zwei in der Realschule – keine Schwierigkeiten hat. Nach den Worten der Rektoren sind diese Schüler voll in das Schulgeschehen integriert.

Künftig erweitertes Bildungsangebot

In Zukunft will die Schulleitung der GHS vom erweiterten Bildungsangebot Gebrauch machen, so daß sich Schüler und Lehrer auf freiwilliger Basis zum Nachmittagsunterricht treffen werden. Auch die Berufsvorbereitung der Schüler soll intensiviert werden. Sowohl die Realschule als auch die Gesamthauptschule wollen durch schulische und außerschulische Veranstaltungen wie bunte Nachmittage, Sportfeste, Projektwochen und dergleichen das Gefühl des Miteinander weiter fördern. Beide Schulleiter lobten das große Engagement des Schulträgers für das Konrad-Adenauerschulzentrum. Jederzeit würde man bei diesem ein offenes Ohr für die Belange der beiden Schulen vorfinden.