Gegen das Kastenwesen

sz Wenden. Father Anthony Packianathan, ein katholischer Pfarrer aus Indien, besucht am Donnerstag, 20. Oktober, die Konrad-Adenauer-Gemeinschaftshauptschule in Wenden. Im Laufe des Morgens wird er verschiedenen Schulklassen über das Kastensystem, das religiöse System und Kinderarbeit in seiner Heimat berichten. Ein Schwerpunkt dabei wird die Ausnutzung der Dalit sein. Das ist die unterste Kaste in Indien, die auch heute noch den untersten Rang in der indischen Gesellschaft einnimmt, kaum Rechte hat, auch wenn die indische Verfassung sie ihnen eigentlich gewährt, und alle einfachen und schmutzigen Arbeiten verrichten muss.


Father Packianathan ist Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenz Tamil Nadus, die sich für die Rechte und Förderung der Dalit-Christen einsetzt.
„Wozu brauchen wir die KastenSchüler In der Tier- und Pflanzenwelt gibt es sie nicht, warum bei unsSchüler“, klingen die Liedzeilen aus den Lautsprechern. Das Lied hat Anthony Packianathan selbst getextet. Die Stimme ist seine eigene. Packianathan ist ein guter Sänger und einer der wenigen katholischen Priester, die selber Dalits sind. „Das Kastenwesen ist ein Übel, wir wollen dieses Unrechtssystem nicht hinnehmen“, erklärt er die Motivation seiner Arbeit.
Im Bundesstaat Tamil Nadu ist die Diskriminierung von jeher besonders stark. Als Projektkoordinator bietet Packianathan in 16 Diözesen ein umfangreiches Programm zur Förderung von Jugendlichen, Studenten, Schülern, Trainern und Frauen an. „Besonders die Dalit-Frauen leiden unter dem Kastensystem“, erklärt er. „Sie werden in Indien doppelt diskriminiert, einmal aufgrund ihrer Herkunft und zusätzlich wegen ihres Geschlechts.“
Kommt es zum Streit zwischen den Dalits und Mitgliedern höherer Kasten, werden immer wieder Dalit-Frauen Opfer von Gewalt und Vergewaltigungen. Gezielt greifen Kastenangehörige sie an, um Forderungen gegenüber der Dalit-
Gemeinschaft durchzusetzen. Die Polizei, meist selber Angehörige einer Kaste, unternimmt nichts. Auch von ärztlicher Seite bleibt den Dalits, die auch die „Unberührbaren“ genannt werden, oft Hilfe in Notsituationen versagt. „Manche トrzte weigern sich schlicht, bei der Geburt unserer Kinder zu helfen. Sie ekeln sich davor, uns zu berühren“, berichtet die 19-jährige Saral, Kursteilnehmerin an dem Frauen-Programm der Kommission.
An dem von „missio“ geförderten Programm nehmen zwei Jahre lang 960 Frauen teil. Hier erfahren sie häufig erstmals etwas über die Ursache des auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden Kastensystems. In Kursen werden die Entwicklung der Persönlichkeit und eines starken Selbstbewusstseins gefördert. Dann lernen die Frauen ihre Rechte kennen und wie sie sie einfordern können.
In Tiruchirappalli, wo die Kommission ihren Sitz hat, laufen die Fäden zusammen. Packianathan hat hier ein Netzwerk von Einzelpersonen und Organisationen, wie der „Christlichen Dalit Befreiungsbewegung“, geknüpft. „Das Kastensystem ist vor allem ein soziales, gesellschaftliches Problem“, so Packianathan. „Darum ist es wichtig, mit einem möglichst breiten gesellschaftlichen Bündnis gegen dieses Unrechtssystem vorzugehen.“
Auch die Kirche ist vom Kastendenken nicht verschont geblieben. In Tamil Nadu hat die Bischofskonferenz 1990 ein „Zehn-Punkte-Programm“ auf den Weg gebracht, das gegen Ungleichbehandlungen vorgehen, Dalit-Christen in ihrer Entwicklung fördern und Priester und Ordensleute für die Probleme der Dalits sensibilisieren soll.
„Die Menschen sind sich oft nicht bewusst, dass das Kastensystem von Menschen gemacht und nicht gottbefohlen ist. Jahrhunderte lang ist den Dalits das Gefühl gegeben worden, minderwertig und unrein zu sein“, erläutert Packianathan. „Wir wollen den Leuten vermitteln, dass sie genauso viel wert sind wie jeder andere auch.“