Sechs Jahre Gefängnis für Tötung der eigenen Eltern

Wenden.(kd) Im Namen des Volkes verkündete der Vorsitzende Richter am Landesgericht Siegen, Wolfgang Münker, vor der Großen Jugendstrafkammer am vergangenen Donnerstag folgendes Urteil: Der Angeklagte Björn A. aus Gerlingen wird wegen Mordes an seiner Mutter Annegret und Totschlag an seinem Vater Helmut zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Am 23. März 2002 hatte der 16-Jährige seine Mutter und seinen Vater „in Folge eines Affektstaus“ in der elterlichen Wohnung mit vielen Messerstichen getötet. Bei der Urteilsbegründung lag der Schwerpunkt auf der familiären Vorgeschichte des Angeklagten. Geboren und aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, wurde Björn 1998 aus seinem gewohnten Umfeld gerissen. Sein Vater hatte den Job auf der Werft verloren, die acht Jahre ältere Schwester war nach Lüneburg gezogen, und er selbst sollte nun seinen Eltern ins Sauerland folgen. Schon damals war der Alltag des Jungen von Strenge und Disziplin geprägt, Sauberkeit und Ordnung galten als oberste Prämisse eines geordneten Familienlebens. Bei der Entscheidung, die Heimat zu verlassen, war Björn übergangen worden.


Der Zwölfjährige schaffte es trotz seines mittlerweile bestätigten IQ von 121 nicht, sich in der neuen Schule einzuleben. Er fand zwar Freunde, blieb aber Außenseiter. Auffällig war das sehr schlechte Verhältnis zu seinen Eltern. Das Familienleben war auch in Gerlingen von deren konservativen Vorstellungen geprägt. Der Junge sollte sich auf die Schule konzentrieren, andere Probleme, die in der Pubertät auftraten, wurden als bedeutungslos abgetan. Erziehung wurde in Form von unbefristeten Hausarresten vorgenommen, Gespräche innerhalb der Familie gab es nicht. Vorhaltungen waren an der Tagesordnung. Signale wie Schule schwänzen und Leistungsabfall wurden mit Strafen geahndet. Zugespitzt hat sich die Situation dann ab dem 21. März 2002. Björn war mit Freunden unterwegs, bekam einen Korb von gleich zwei Mädchen, in die er damals verliebt war. Er war enttäuscht. An diesem Abend kam er nicht wie vorgegeben um 18, sondern erst um 21 Uhr nach Hause. Wieder nur Vorhaltungen. Auch, nachdem er den Grund für sein Zuspätkommen genannt hatte, brachten die Eltern kein Verständnis für seine Verspätung auf. Trotz Ferienbeginns wurde wieder einmal unbefristeter Hausarrest verhängt. Beim gemeinsamen Abendessen am Samstag abend setzte sich das Szenario fort. Björn hatte um Erlaubnis gebeten etwas mit seinen Freunden unternehmen zu dürfen, aber auch an diesem Tag, dem ersten Ferientag, blieben die Eltern hart. In Björns Kopf manifestierte sich der Gedanke, dass etwas passieren müsse. So wollte er nicht weiterleben, Wut und Hass stiegen in ihm auf. Er ging in die Küche und holte das Messer, mit dem er wenige Minuten später seine Eltern tötete. Er deponierte das Messer in seinem Zimmer, lockte seine Mutter herein und stach immer wieder auf die wehrlose Frau ein. Um ihre Schreie zu unterbinden, schnitt er ihr die Kehle durch. Aufgeschreckt von den Schreien, eilte der Vater herbei. Auch ihn streckte der 2,04 Meter große Björn mit unzähligen Stichen, unter anderem im Herz/Lungenbereich, nieder.
Nach der Tat meldete Björn die Tat bei der Rettungsstelle. Verständnis hatte vor Gericht selbstverständlich niemand für die schreckliche Tat. Laut Richter Münker sei es aber erforderlich, im Jugendstrafrecht die erzieherischen Maßnahmen in den Vordergrund zu stellen. Bei guter Führung besteht bereits im Sommer 2004, gesetzt den Fall, Björn hat bis dahin die Mittlere Reife geschafft, die Möglichkeit, die Reststrafe in eine Bewährungsstrafe umzuwandeln. Der Anwalt von Björn schließt Berufung mit hoher Wahrscheinlichkeit aus: „Wir werden das Urteil jetzt erstmal sacken lassen. Wichtig ist, dass der Junge jetzt wieder seine Ruhe findet.“