„Sunderner Modell“ findet Nachahmer

Von Andreas Böhme
Sundern. Schulzentrum Sundern, kurz nach 13 Uhr. Für Maurice (14) und Ufuk (16) endet die sechste Stunde zehn Minuten früher. Kaum aus den Klassenzimmern, streifen sie sich ihre Warnwesten über und steuern zielstrebig auf die Bushaltestellen zu. Die beiden sind Schulbuslotsen. „Busguides“, korrigiert Ufuk, „das klingt besser.“ Bedeutet aber das gleiche. 120 dieser Guides gibt es am Schulzentrum, in dem zwei Haupt-, eine Realschule und ein Gymnasium untergebracht sind. Jeweils 14 von ihnen sind pro Schicht im Einsatz und sorgen dafür, dass rund 1500 Jungen und Mädchen sicher in ihre Busse kommen.

Eine Aktion, die Nachahmer findet. Immer mehr Schulen kopieren das „Sunderner Modell“. „Gerade erst hatte ich eine Anfrage aus Rheine“, erzählt Heinz Günter Nies, Leiter der Hauptschule 2. In Werl, Wenden, Drolshagen oder Meschede haben Lotsen ihre Arbeit bereits aufgenommen. Geboren wurde die Idee aus der Not heraus. „Früher herrschte hier ein absolutes Chaos nach Schulschluss“, erinnert sich Nies. „Alle rannten durcheinander, es wurde geschubst und gedrängelt.“ Innerhalb kurzer Zeit ereigneten sich zwei schwere Unfälle an den Haltestellen. „Da mussten wir reagieren.“


Nur wieSchüler Gemeinsam setzten sich Lehrer der vier Schulen, Eltern, ‚Schüler, Polizei und Verkehrsbetriebe an einen Tisch. „Und dabei ist mir die Idee zu den Lotsen gekommen“, sagt der Hauptschul-Direx, der viele Jahre als Verkehrsfachberater des Hochsauerlandkreises im Einsatz war. Warum, so sein Gedanke, sollten nicht einige ältere Schüler selbst für mehr Ordnung an den Haltestellen sorgenSchüler

Zum Beispiel, weil sie sich nicht durchsetzen können. „Das war anfangs ein Problem“, gibt Nies zu. Von zunächst 50 Interessenten blieben nach einem ersten Treffen gerade einmal 20 über. „Die anderen hatten Bedenken, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein.“

Wer blieb, wurde geschult. „Frustrations-Toleranz, Konfliktbewältigung, Diskussionsverhalten“, zählt Nies auf. Nahkampftraining gehörte nicht zur Schulung. „Rambo-Typen können wir für diese Sache nicht gebrauchen“, stellt der Schulleiter klar.

Die Rechnung ging auf. Seit Januar 2000 herrschen „englische Verhältnisse“ am Schulzentrum. In langen Reihen stellen sich die Jungen und Mädchen an den speziell markierten Haltestellen auf. Viel weniger Stress: Kinder stellen sich freiwillig in Reihe auf.

Nur selten müssen die Lotsen eingreifen. „Einen Schritt zurück, weg von der Bordsteinkante.“ Ruhig und gesittet geht es dann in die Busse. „Es ist alles viel entspannter geworden“, findet nicht nur die 14-jährige Ina Schmidt. „Viel weniger Stress.“

„Schwierigkeiten gibt es nur selten“, bestätigt Maurice. Falls doch, werden Drängler freundlich aber bestimmt zurechtgewiesen. Reicht das nicht, werden am; nächsten Tag die Lehrer benachrichtigt. Im schlimmsten Fall, werden die Eltern zu einem Gespräch gebeten und die Busfahrkarte des Störenfriedes eingezogen. „Das kommt aber so gut wie nie vor“, spricht Nies aus Erfahrung. Im Gegenteil: „Mittlerweile“, hat der Rektor erfreut festgestellt, „stellen sich die Schüler sogar in einer Reihe auf, wenn gar kein Lotse in der Nähe ist.“