„Alle Schulen schauen nach Wenden“

Wenden. Wer einmal nach Schulschluss das „Spektakel“ rund um den Busbahnhof am Konrad-Adenauerschulzentrum beobachtet hat, der darf sich fürwahr wundern, dass dort noch kein tragischer Unfall mit üblen Folgen passiert ist. Zahlreiche Eltern holen ihre Kinder mit dem eigenen Auto ab, versuchen dabei möglichst, bis fast ins Klassenzimmer zu fahren oder aber mitten auf der Kreuzung stehen zu bleiben, um schnellstmöglich den Heimweg antreten zu können. Die Kinder, die mit dem Bus fahren, bieten sich derweil eine Art Leistungswettkampf, schnellstmöglich in den Bus zu kommen, um der Gemeinschaft möglichst viel „Raffinesse“ und Körperkraft zu demonstrieren. „Ein Zustand“, so der Leiter der Wendener Hauptschule, Michael Olberts, „der uns zunehmend große Sorgen bereitet hat.“ Bei dem bisherigen Verhalten sei es nur eine Frage der Zeit, wann der ganz schwere Unfall passiere, „der etwas hervor ruft, das wir nie wieder gut Machen können“.


„Sehr zufriedenstellend!“

Seit Monaten nun grübeln die Leitungen der Haupt- sowie der Realschule, das Wendener Schulamt und die Verkehrsbetriebe Westfalen-Süd, wie die inzwischen katastrophalen Zustände im Schülerfahrverkehr verbessert werden können. Nun scheint man die Lösung gefunden zu haben. Die Generalprobe gestern Mittag jedenfalls verlief nach den Worten von Michael Olberts „sehr zufriedenstellend“. Und bereits ab Montag soll das neue System fest in den Schulalltag integriert werden.

Bisher hat keine Maßnahmen gegriffen

Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung hat man von einem Projekt zur Schulwegsicherung der Stadt Sundern gehört. „Wir sind eigentlich ohne viel Hoffnung nach Sundern gefahren, haben uns aber dennoch vor Ort informieren wollen“, erinnert sich Michael Olberts – auch vor dem Hintergrund, dass alle bisherigen Maßnahmen, die von den Schulen, Eltern und der VWS in Wenden unternommen worden sind, ohne sichtbare Erfolge verliefen. Doch als die Wendener Delegation gesehen hat, wie im Sunderaner Schulzentrum rund 1700 Schüler überaus diszipliniert und geordnet die Busse bestiegen, war man beeindruckt. Sofort entschlossen sich die maßgeblichen Entscheidungsträger, das Sunderaner Konzept auf Wenden zu übertragen.

Busse erheblich weniger beschädigt

Die Stadt Sundern gründete im April 1999 nach zwei sehr schweren Verkehrsunfällen am Schulzentrum das besagte Projekt, das unter anderem eine ABM-Stelle zur Beaufsichtigung beinhaltet. Darüber hinaus wurden Schülerlotsen ausgebildet, die beim Einsteigen und während der Fahrt für Ordnung sorgen. Nach dem erfolgreichen Start hat sich die Situation an den Bushaltestellen zum Positiven verändert. Es wird offenbar nicht mehr gedrängelt, die Schüler stellen sich in Warteschlangen auf, steigen nacheinander durch die Vordertür in die Busse. Das Fahrpersonal kann sich wieder auf das Fahren konzentrieren, die Busse werden den Angaben zufolge erheblich weniger beschädigt.

Um auch in er Gemeinde Wenden ähnlichen Bedingungen zu schaffen und eine möglichst gefahrenfreie An- und Abfahrt der Schüler zu gewährleisten, hat man gestalterische Veränderungen am Busbahnhof am Schulzentrum vorgenommen, Schülerlotsen ausgebildet und eine Aufsichtsperson eingestellt. An den Haltestellen wurde ein deutlich sichtbarer, ca. ein Meter breiter roter Strich aufgetragen, den die Schüler keinesfalls betreten dürfen, bis der Bus vor ihnen steht.

Lotsen ausgebildet

Die Lotsen, die sich als Freiwillige aus den Klassen 8 bis 10 der Haupt- und Realschulen rekrutieren, haben in mehreren Stunden Ausbildung Anweisungen erhalten, wie sie die Schüler zu dirigieren haben. So müssen sich beispielsweise alle Schüler, die Richtung Ottfingen wollen, in einer Reihe geordnet aufstellen. Erst wenn die gewünschte Aufstellung erreicht ist, gibt der jeweilige Loste dem Busfahrer ein Zeichen, der dann an die Haltestelle vorfährt. Dann öffnete er nur die Vordertür, und beim Einsteigen muss jeder Schüler seine Fahrkarte vorweisen. Sollte er die nicht dabei haben, muss er sie am nächsten Tag im Sekretariat vorweisen.

Katalog an Sanktionen erstellt

Damit die Schüler überhaupt den Weisungen der Lotsen Folge leisten, wurde inzwischen ein Katalog an Sanktionen erstellt, der von einem „Besuch“ bei der Schulleitung bis hin zu einem zeitlich begrenzten Entzug der Fahrkarte reicht.

Neben den Lotsen hat vor allem Eva Keilbach eine große Verantwortung. Die Pädagogin wurde von der Gemeinde Wenden im Rahmen einer ABM-Stelle eigens für das Schülerfahrprojekt für zwei Jahre eingestellt. Ihr Aufgabenkatalog ist umfangreich. So soll sie die Fahrschüler betreuen, Rangeleien vermeiden, die Fahrkarten kontrollieren, Problemfelder erkennen und Lösungen erarbeiten, die Schulbusse permanent begleiten, Ansprechpartner für Lehrer, Schüler und Polizei sein, Auskunft über möglicherweise wechselnde Haltestellen geben und vor allem die Verursacher von Rangeleien oder Beschädigungen namentlich festhalten und der Schulleitung melden.

Auch die Busfahrer, erklärte der VWS-Betriebsstellenleiter in Olpe, Hartmut Kuhnert, sei das Projekt vorgestellt worden. Viele Fahrer seien zwar skeptisch, er selbst blicke dem System sehr optimistisch entgegen.

„Wir möchten keine ‚Rambos‘ mit Weste“

32 Lotsen wurden inzwischen in Zusammenarbeit mit der Kreispolizeibehörde ausgebildet, 50 sollen es insgesamt werden. Olberts erklärte den Lotsen, dass „ihr in Zukunft die absoluten Vorbilder seid. Wir möchten keine ,Rambos‘ mit Weste.“ Geld gibt es übrigens für die Lotsentätigkeit nicht, aber möglicherweise Zertifikate als Zusatz zum Zeugnis, was bei Bewerbungsgesprächen in einigen Firmen möglicherweise für sehr wichtig erachtet wird. Olberts zu den Lotsen abschließend: „Ihr habt die Chance, vorbildhaft zu wirken. Alle Schulen im Kreis Olpe schauen jetzt nach Wenden. Wenn es uns hier gelingt, wird das Projekt vermutlich, an alle Schulen übertragen.“ Hobö