107 Schüler suchen noch eine Lehrstelle

Wenden. Ein interessantes und wichtiges Thema, namhafte Diskussionsteilnehmer sowie keine störende Parallelveranstaltung: Die Junge Union in der Gemeinde hatte für ihre Veranstaltung gestern abend die besten Voraussetzungen geschaffen. Und dennoch blieben erstaunlicherweise viele Stühle unbesetzt, das Thema „Misch dich ein – Ausbildung in der Gemeinde Wenden“ hatte weder zahlreiche Jugendliche angelockt, noch saßen besonders viele Vertreter der heimischen Unternehmen im Gasthof „Zur alten Schmiede“. Trotzdem entwickelte sich eine teilweise kontroverse Diskussion, die neben einer umfangreichen Diagnose auch kleine Ansätze für eine „Heilung“ der Situation aufzeigte. Am Ende stand der Appell an die heimischen Betriebe, alles Mögliche in Bewegung zu setzen, um den Jugendlichen Lehrstellen in ihrer Heimat anzubieten.


Immerhin, darauf wies Werner Heuel von der Berufsberatung des Arbeitsamts Olpe hin, hätten 107 Jugendliche aus der Gemeinde, die im Sommer die Schule verlassen, ‚ noch keinen Ausbildungsplatz. Demgegenüber seien nur neun offene Stellen gemeldet. Kreisweit hätten gestern mittag 140 offenen Stellen 496 nicht vermittelten Bewerbern gegenübergestanden. Die besondere Problematik in diesem Jahr sei, so Heuel, daß mit 1297 Lehrstellensuchenden die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 12,8 Prozent gestiegen sei. Nur 741 Ausbildungsstellen seien dem Arbeitsamt gemeldet worden. In der Gemeinde stecke viel Potential, denn von 612 Betrieben hätten lediglich 93 mindestens einen a Azubi. Das entspräche 15,2 Prozent, bundesweit läge der Anteil bei 28,1 Prozent.

Bei der Vorstellung des Podiums betonte Franz-Josef Eichert, Ausbilder von 31Azubis beim Apparatebau Rothemühle, daß die Lage ernst sei: „Daß von der Hauptschule einige noch immer nicht untergekommen sind, hat es in der Vergangenheit nicht gegeben.“ Henning Zoz von der gleichnamigen Metallveredlungsfirma in Hünsborn meinte: „Wir haben mit fünf Azubis bei 20 Mitarbeitern eine einmalig hohe Quote.“ Er sieht ein wesentliches Problem der Wirtschaft in der Suche nach Bündnissen und Konsens. „Der Wohlstand kommt doch vom Individuum.“ Unternehmer Franz-Josef Henke aus Gerlingen ergänzte: „Kein Arbeitgeber stellt Leute ein, weil es ein Bündnis für Arbeit gibt.“ Nur wenn die Wirtschaft funktioniere, könnten Lehrstellen angeboten werden.

„Ohne richtige Rahmenbedingungen, kann das Handwerk nicht ausbilden“, stieß Ludgerus Niklas, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Olpe, in die gleiche Kerbe. Auch für Lehrstellen müsse genug Arbeit vorhanden sein. Als erstaunlich wertete er, daß die Ausbildungsstellen in der Gemeinde im ersten Lehrjahr von 27 in 1996 auf 39 im vergangenen Jahr angestiegen wären. In 140 Meisterbetrieben im Wendschen seien derzeit in drei Ausbildungsjahren 114 „Lehrlinge“ beschäftigt.

„Ich bin sehr besorgt, was wir aktuell erleben“, meinte Jörg Dresbach, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands für den Kreis Olpe. Mit EMG und Apparatebau Rothemühle hätten zwei der wichtigsten Ausbilder Stellenkürzungen angekündigt. Das könne sich auch bei den Lehrstellen bemerkbar machen. Er wies darauf hin, daß in den vergangenen Jahren die Frühlingszahlen auch nicht so gut gewesen seien, letztlich aber doch Erfolge erzielt worden seien. „Ich warne davor, zu dramatisieren, Panik kann auch lähmen.“ Hermann-Josef Frohne, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Olpe: „Ich bin seit 40 Jahren dabei, so ganz schwarz sehen wir die Lage nicht.“ Zumal die Zahl der Ausbildungsplätze in der Gemeinde Wenden von 56 in 1996 auf 81 im vergangenen Jahr hätte gesteigert werden können.

Clemens Bememann, Leiter der Realschule Wenden, wies darauf hin, daß die Bedingungen für die Schulabgänger ganz andere seien als noch vor zehn Jahren. Für Realschüler seien klassische Ausbildungsplätze in kaufmännischen Berufen oder bei Banken weggebrochen. Die Hauptschule, ergänzte derweil Leiter Michael Olberts, habe mit den drei Praktika in den 8., 9. und 10. Klassen gute Vermittlungszahlen vorbereitet. In diesem Jahr sei die,“ Lage ernst, da 116 Entlassungen anstünden. Von diesen Schülern gingen 20 auf weiterführende Schulen und dennoch hätten 26 noch keinen Ausbildungsplatz. Die Mädchen hätten besondere Probleme, sie brauchten intensive Hilfe bei der Suche.

Bürgermeister Peter Brüser ergänzte, daß die Gemeinde mit der Ausrüstung der Schulen die Voraussetzungen für technisches Know-how leiste. Die Verwaltung selbst bilde über den eigenen Bedarf aus. Willi Schepp vom DGB-Kreis Siegen-Wittgenstein-Olpe forderte die Einstellung von mehr Lehrern zur Vermeidung von Unterrichtsausfall. Schüler müßten früh auf die Arbeitswelt vorbereitet werden.

Aus der Zuhörerschaft meldete sich Unternehmer Adolf Hartmann aus Ottfingen: „Ohne Idealismus geht es nicht, nur Wissen bringt es nicht, die Einstellung von beiden Seiten ist für eine erfolgreiche Lehre wichtig.“ Bäckermeister Thorsten Hilkenbach bemängelte, daß das Arbeitsamt niemanden nennen könnte, der um 4 Uhr aufstehen will. „Wo sind also die SuchendenSchüler“

Franz-Josef Henke hält den Ausbildungsstand von Haupt- und Realschülern für „erschreckend schwach“ – vor allem im EDV-Bereich. Er forderte, der DGB müsse die unteren Lohngruppen für einfache Tätigkeiten öffnen. Henning Zoz ergänzte, daß vor diesem Hintergrund „ein extremes Potential an Dienstleistungsjobs geschaffen werden kann“. Thorsten Hilkenbach fragte an, warum in der Berufsschule Sport und Religion unterrichtet würde, worauf Berufsschullehrer Norbert Schulte-Südhoff antwortete: „Ein gebildeter Mensch ist besser als ein nur wissender. Religion ist auch wichtig.“ Andre Arenz, JU-Vorsitzender in der Gemeinde Wenden, meinte abschließend: „Die Diskussion hat viel hergegeben. Wir bleiben an dem Thema dran.“