Fortbildungsveranstaltung in Wenden: Lehrer erkennen Notsignale der Gesellschaft

Wenden. Lehrer wollen nicht nur lehren, sondern auch leimen. Dieses Fazit kann nach dem jetzt im Konrad-Adenauerschulzentrum durchgeführten Bezirkslehrertag gezogen werden. Mit einer nie dagewesen Beteiligung demonstrierten die Lehrer und Lehrerinnen von Grund-, Haupt-, Gesamt-, und Sonderschulen aus dem Bezirk Arnsberg, daß sie überaus großes Interesse an einer pädagogischen Fortbildung besitzen. Thema der Veranstaltung, zu der der Verband Bildung und Erziehung (VBE) eingeladen hatte, lautete サOb der Philipp heute still wohl bei Tische sitzen willSchüler – Erziehung zu Konzentration und Stille“. Trotz Einrichtung zusätzlicher Arbeitskreise war die Nachfrage nach Meditations-, Yoga-, Entspannungs- und Wahmehmungsübungen kaum zu befriedigen. Professor Dr. Rainer Winkel aus Berlin griff in seinem Grundsatzreferat Ursachen und Bewältigungsmöglichkeiten von Konzentrationsstörungen in der Schule auf. Die Anzahl der verhaltensauffälligen Kinder werde immer größer. Diese „Notsignale“ würden von der Lehrerschaft erkannt, meinte Jochen Gerstendorf, Vorsitzender des VBE im Bezirk Arnsberg, in einem Pressegespräch in der Wendener Bildungsanstalt.


Pädagogen stellen sich Herausforderung

Zu den Notsignalen in der Schule zählt Gerstendorf Gewalt, individuelle Orientierungslosigkeit, Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen, Gleichgültigkeit, Konzentrationsstörungen und Sinnverlust. Seiner Meinung nach zeige die große Beteiligung an dem Lehrertag, daß sich die überwiegende Mehrheit der Pädagogen dieser Herausforderung stellen wolle. Diese positive Einstellung sollte der Kultusminister anerkennen, forderte Gerstendorf. Schließlich seien Lehrerinnen und Lehrer diejenigen, die dem verhaltensauffälligen Schüler zuerst begegneten und auch eine qualifizierte Hilfestellung geben könnten. Diese würde noch besser, wenn mehr Weiterbildungsmaßnahmen auf diesem Spezialgebiet angeboten und genutzt werden könnten.

Therapie ist zeitaufwendig

Der Kultusminister solle, so die Forderung des VBE-Bezirksvorsitzenden, für diese veränderte Situation die Grundbedingungen schaffen. Dazu gehörten neben der berufsbegleitenden Weiterbildung vor allen Dingen kleinere Klassen und Stundenreduzierung. Die Therapie eines verhaltensauffälligen Kindes sei zeitintensiv, Konzepte müßten entworfen, erprobt und Ergebnisse dokumentiert werden. Die benötigte Zeit, so Gerstendorf, werde den Lehrern aber genommen. An Gesamtschulen und Gymnasien hätten die Pädagogen rund 24 Unterrichtsstunden pro Woche zu geben. An Grund-, Haupt- und Sonderschulen belaufe sich die Stundenzahl auf 27. Hier müßten für die Kollegen gleiche Voraussetzungen geschaffen werden, damit sich alle gleich intensiv um die Kinder und Jugendlichen kümmern könnten. „Die Politik und die Gesellschaft kann uns nicht vorwerfen, wir hätten nichts getan. Wir wollen uns noch stärker individuell um die Schüler kümmern, aber dafür brauchen wir eben Zeit“, erklärte der VBE-Bezirksvorsitzende.

Kleinere Klassen gefordert

Damit einher geht die‘ Forderung von Gerstendorf nach kleineren Klassen. Maximal 24 Schüler pro Klasse wären wünschenswert. Doch dies sei derzeit bei dem extremen Sparkurs der öffentlichen Hand nicht zu erwarten. Gerstendorf mahnt aber: „Wenn wir in Schulen sparen, dann müssen wir uns über die Folgen bewußt sein.“ In diesem Zusammenhang warnte Prof. Dr. Rainer Winkel, das Bestreben der Lehrer nach mehr Weiterbildung im sozialpädagogischen Bereich abzuschmettern: „Es ist ganz wichtig, daß die schulinterne Weiterbildung fortgeführt wird, denn sonst sind Schlagzeilen von mordenden Kindern wie kürzlich in Liverpool bald auch bei uns keine Seltenheit mehr.� Die Schule habe sicherlich „eine potentielle Mitverantwortung für die Probleme, die jetzt in der Gesellschaft auftauchen. Sie sei aber auch die einzige Institution, die die Schwierigkeiten in der heranwachsenden Generation bewältigen könne, ergänzt Gerstendorf.

„Absoluter Blödsinn�

Als „absoluten Blödsinn� bezeichnete Winkel die Fernsehsendung „Unser Lehrer Dr. Specht“. Das sei reine Unterhaltung, die die wirkliche Welt der Lehrer nicht darstelle. Im Gegenteil: Die Sendereihe über den „pädagogischen Schimanski“ (Winkel) suggeriere in der Gesellschaft falsche Erwartungen, die nicht erfüllt werden könnten.

Lob für Hauptschule Wenden

Abschließend lobte Gerstendorf, dessen Verband für die thematische Gestaltung der Aktion verantwortlich zeichnete, die Arbeit der Hauptschule Wenden. Die Schulleitung um Direktor Michael Olberts habe in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband eine hervorragende Organisation auf die Beine gestellt.