Hauptschule keine Einbahnstraße

sz • Der Wahlkampf liegt in Nordrhein-Westfalen schon eine Weile zurück. Schule war eines der zentralen Themen, und die neue Landesregierung strebt Veränderungen an. Für die Gemeinde Wenden war in der zweiten Jahreshälfte zumindest für einige Wochen die Gemeinschaftsschule ein Thema. Im Schulausschuss entschied man sich gegen die Einrichtung einer solchen Gemeinschaftsschule für das kommende Schuljahr 2011/2012. Beide Schulen im Wendener Schulzentrum seien momentan stark, und auch bezüglich der Perspektive auf die nächsten Jahre eröffne sich derzeit kein zwingender Handlungsbedarf, lautete der Tenor der Mehrheit (die SZ berichtete). Komplett vom Tisch ist das Thema damit nicht, denn ein Gremium wurde eingerichtet, um Optionen für die Zukunft zu erarbeiten. Damit ändert sich in Wenden zunächst aber nichts.Für die Hauptschulen des Landes wurden in den vergangenen Jahrzehnten bereits mehrfach die Sterbeglocken geläutet. Die Hauptschule besteht trotzdem weiterhin fort, und anders als in städtischen Ballungsgebieten, wo Hauptschulen schlecht dastehen, sind sie im ländlichen Raum, wozu auch die Gemeinde Wenden zählt, noch immer eine feste Größe und können ihren Schülern Perspektiven bieten.

Ob die Gemeinde Wenden irgendwann einmal eine Gemeinschaftsschule haben wird oder vielleicht auch eine Verbundschule, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch völlig offen. Fest steht jedoch, dass alle Kinder, die auf der Hauptschule eingeschult werden, die Schule auch als Hauptschüler verlassen können. Sollten in den nächsten Jahren Haupt- und Realschule zusammengelegt werden, in welcher Form auch immer, so wird die neue Schule von unten her ab Klasse 5 aufgebaut werden. Das bedeutet, die neuen „Fünfer“ werden nach den Lehrplänen der neuen Schule unterrichtet und damit nach oben wachsen. Die Schüler, die bis zu diesem Zeitpunkt als Hauptschüler auf der Schule eingeschult wurden, führen ihren Bildungsgang nach den für sie gültigen Lehrplänen zum Ende.

„Hauptschulen sind keine Einbahnstraße“, schreibt die Konrad-Adenauer-Hauptschule Wenden in einer Stellungnahme. Sie böten neben dem Sekundarabschluss I auch die Fachoberschulreife an. Handwerk und Industrie in der Gemeinde Wenden zählten seit Bestehen der Konrad-Adenauer-Hauptschule auf die Schülerinnen und Schüler, die diese in die Berufsausbildung entlasse. Die deutlich praktischer ausgerichtete Ausbildung an der Hauptschule mit mehreren Praktika in den oberen Jahrgängen lege Wert darauf, jungen Menschen grundlegende Werte wie Ordnung, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Fleiß zu vermitteln. „Genau dafür schätzt man die Abgänger der Wendener Hauptschule in den Betrieben der Region“, betont die Bildungseinrichtung ferner und fügte einer Pressemitteilung Zitate aus heimischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen an:

„Wir bilden Hauptschüler aus, weil der persönliche Eindruck und die sozialen Kompetenzen wie Zuverlässigkeit, Motivation, Disziplin, Leistungsbereitschaft und Höflichkeit eine größere Rolle spielen als der Schulabschluss.“ (Georg Henrichs, Betriebsleiter Firma Dornseifer, Hünsborn.)

„Ich bin der Meinung, dass die guten Hauptschüler und -Schülerinnen die hohen Anforderungen der Ausbildungsinhalte erreichen können und unser Unternehmen auch nach der Ausbildung als wertvolle Fachkräfte unterstützen.“ (Antonius Halbe, Ausbildungsleiter der Firma EMG, Wendenerhütte).

„Hauptschüler besitzen eine sehr gute Lern- und Leistungsbereitschaft, daraus resultiert eine gute Auffassungsgabe und Umsetzung gestellter Aufgaben in die Praxis. Ein gutes praktisches Handeln beziehungsweise Denken ist immer wieder vorzufinden.“ (Eva Weber, Abteilung Konstruktion und Projektabwicklung der Firma Plattenhardt & Wirth, Hünsborn.)

„Mit dem Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule ist nichts endgültig entschieden. Über den zweiten Bildungsweg am Berufskolleg schafft ein guter Hauptschüler eher das Abitur als ein gescheiterter Gymnasiast. Erste Erfahrungen mit unserer gymnasialen Oberstufe belegen das.“ (Christian Bock, Studiendirektor am Berufskolleg des Kreises Olpe.)

Die Konrad-Adenauer-Hauptschule betont in ihrer Stellungnahme daher: „Es wird immer wieder behauptet, ein an der Hauptschule erworbener Schulabschluss sei heute nichts mehr wert. Die ehemaligen Hauptschüler, welche heute ihren Mann beziehungsweise ihre Frau in Handwerks- und Industriebetrieben stehen, widerlegen diese Behauptung eindeutig.“

Viele Eltern strebten für ihre Kinder den höchsten Schulabschluss an. Das sei verständlich. Nicht alle Kinder seien jedoch in der Lage, an einer Realschule oder einem Gymnasium erfolgreich zum Abschluss zu kommen. Dafür könne es viele Ursachen geben. Bei manchen Kindern sei es eine verzögerte Entwicklung und bei anderen seien es Lernstörungen in bestimmten Bereichen, heißt es ferner.

Einige Kinder seien aufgrund von Krankheit oder familiären Problemen zurückgefallen. Gerade hier hat die Hauptschule nach eigener Einschätzung ihre Stärke. Kleinere Klassengrößen und spezielle Förderkonzepte seien darauf ausgerichtet, Schülerinnen und Schülern mit solch ungünstigen Voraussetzungen den Weg zum Sekundarabschluss zu ermöglichen. Dass sich Hauptschulen hier mittlerweile spezialisiert hätten, zeigten auch die Integrationsklassen, die vor allem an dieser Schulform eingerichtet worden seien. Die Wendener Hauptschule verfügt hier über langjährige Erfahrungen.

Aus Erfahrung wissen Hauptschulen, welch leidvolle Erfahrung es für Schüler und deren Eltern ist, wenn sich Realschule oder Gymnasium in Klasse sieben oder acht als die falsche Wahl herausstellen und ein Wechsel zur Hauptschule die letzte Möglichkeit ist, noch erfolgreich zu einem Sekundarabschluss zu kommen.

Die Wendener Bildungseinrichtung betont diesbezüglich: „Alle Schülerinnen und Schüler, die bisher auf diesem Wege an die Wendener Hauptschule kamen, machten ihren Abschluss. Die Erfahrung, sich oft über Jahre an der für sie falschen Schule unnötig gequält zu haben, prägt meist ein Leben lang. Falscher Ehrgeiz von Eltern, welche das Leistungsvermögen ihrer Kinder überschätzen, rächt sich an dieser Stelle bitterlich. Aus diesem Grund sollten Eltern wohl überlegen, ob sie ihr Kind nicht doch besser an einer Hauptschule anmelden.“