Patentrezept: Fehler zulassen

Auf den Bühnen Deutschlands geben sich Comedians die Klinke in die Hand – die wahren Unterhaltungskünstler scheinen hingegen vergleichsweise still zu agieren und dabei auch noch eine aussagekräftige Botschaft im Gepäck zu halten.
rudi • Beides traf auf eine Veranstaltung zu, die am Freitagabend rund 250 Gäste in die Wendener Aula lockte. Der Autor sowie Familien- und Kommunikationsberater Jan-Uwe Rogge gab sich im Konrad-Adenauer-Schulzentrum ein Stelldichein und strapazierte nicht nur die Lachmuskeln, sondern zeigte interessierten Eltern, Großeltern und anderen „pädagogischen Fußtruppen“ auf recht ungewöhnliche Weise auf, wie der Kampf an der „Erziehungsfront“ funktioniert.

Es war kurzweilig, es war amüsant und brüllend komisch – und doch rief das Bühnenprogramm von Jan-Uwe Rogge mit jeder Episode Geschehnisse ins Gedächtnis, die wohl keinem der Besucher unbekannt waren. Alles drehte sich um das Thema Erziehung, Rogge wählte dabei jedoch einen Blickwinkel, der geschickt die Tücken und alltäglichen Probleme verzweifelter Eltern aufzeigte. Eine ausgereifte Komik war es nämlich, mit der einzelne Situationen dargestellt wurden – Situationen, die auf der Bühne allemal als gelungene Show zu bezeichnen waren, im Alltag aber eher für Verzweiflung statt schallendes Gelächter sorgen. Eben darin schien der Erfolg zu gründen, den Jan-Uwe Rogge mit seinem Vortrag „Kinder brauchen Eltern, die (sich) Grenzen setzen“ zweifellos verbuchte. Ein garantieträchtiges Patentrezept gab er seinem Publikum nämlich nicht mit auf den Weg.

Wer handfeste Tipps und Tricks mit absoluter Erfolgsgarantie erwartete, war fehl am Platze. Vielmehr konzentrierte sich die simpla Botschaft deaJlrfolgsautors darauf, die Fehler in genau des auf Perfektion ausgerichteten Erziehungskonzepts aufzuzeigen: eben nicht auf Patentrezepte zu setzen; eben nicht eine Rolle vorzugeben, die ein Kind einzunehmen hat und eben nicht das „perfekte Kind“ zu erwarten, sondern Fehler zuzulassen – nicht nur gegenüber dem Kind, sondern auch gegenüber sich selbst. „Jede Mutter hat das Recht auf zehn Fehler am Tag“, so die mit einem Augenzwinkern verkündete „Richtlinie“ von Rogge. Natürlich sollte auch dieser Hinweis kein „Patentrezept“ sein, sondern vielmehr eine Denkrichtung aufzeigen, die nicht jedes Problem aus der Welt schafft, die Erziehung aber zumindest erleichtert.

Dankbarkeit und Demut seien die wichtigsten Begriffe in der Erziehung und sollten auch dann greifen, wenn das Kind eben nicht in die zuvor ausgemalte Rolle passe. „Es ist einfach, Kinder anzunehmen, wenn sie funktionieren“, so Rogge, „aber sei auch dankbar, wenn es nicht so ist. Du sollst und du lernst was mit diesem Kind.“ Statt sich in etwaigen schwierigen Situationen auf Vorwürfe zu konzentrieren, die schon in der Vergangenheit keinen sichtbaren Effekt erzielten, sollten Eltern ein entsprechendes Ereignis als Hinweis werten, „etwas Neues zu beginnen“. Und: „Kinder spüren ab einem bestimmten Zeitpunkt, dass sie Grenzen überschreiten müssen.“ Eltern sollten ihre Denkweise dabei jedoch klar formulieren, keine Rolle spielen, der sie selbst nicht gerecht werden. „Kinder wollen Eltern, die geerdet sind – die nicht abheben“, so Rogge. Kurzum: Statt Übermutter und Übervater zu sein, statt eines Rollenspiels ohne Erfolgsaussicht sollten Eltern Individualität groß schreiben – ohne perfektes Rollenmuster, sondern vielmehr mit der Grundidee, dass Fehler menschlich und normal sind, auf Seiten der Kinder als auch der Eltern, und dass Fehler nichts Negatives, sondern vor allem ein Lerneffekt und ein Neustart sind. „Es wird nicht leicht“, so Rogge, „aber es bekommt eine wunderbare Einfachheit -und die wünsche ich Ihnen.“

Mit dieser Botschaft schien das „Patentrezept“ zuletzt dann doch gegeben. In Sachen Einfachheit konnte Rogge seinem Publikum – darunter auch Hauptschul-Rektor Joachim Winkelmann – nämlich eine gelungene „Lektion“ mitgeben und damit zumindest ein Stück weit deutlich machen, dass die richtige Einstellung zum Thema „Erziehung“ manche Situation weitaus erträglicher macht.