Nicht perfekt, sondern authentisch

WENDEN, (wp) Erziehung ist ein Thema, das Eltern brennend interessiert. Junge werdende Eltern träumen in der Regel vom idealen Kind, welches artig ist und sich an alle Gebote und Verbote hält, welches höflich Bitte und Danke sagt, keine Widerworte gibt, jede Nacht durchschläft und den ganzen Tag fröhlich ist.

Die Realität sieht dann jedoch meistens völlig anders aus. Sprachlos steht die junge Mutter in der Haustüre, wenn der kleine Timmi, der bis dahin immer „Liebe Mammi“ sagte, auf einmal aus dem Kindergarten das Wort „Arschgeige“ mitbringt und dieses sogleich an seiner Mutter ausprobiert. „Wie konnte das passieren“, fragt sich die junge Mutter, „was habe ich falsch gemacht?“ In dieser und ähnlichen Schilderungen aus seiner alltäglichen Praxis als Erziehungsberater versuchte Jan Uwe Rogge bei seinem Vortrag „Kinder brauchen Eltern, die sich Grenzen setzen“ im Wendener Schulzentrum den anwesenden Eltern darzustellen, wie normal es ist, wenn aufwachsende Kinder Grenzen überwinden. Grenzen, so führte er aus, seien dazu da, überwunden zu werden.

Und um dieses deutlich zu machen, hielt er seinem Publikum mehr als einmal den Spiegel vor und erinnerte sie an ihre eigene Kindheit, als auch sie sich über Grenzen hinwegsetzten und sich etwa in den Bereich „hinter der Hecke“ begaben. Vieles, was sie damals heimlich machten, hätten die Eltern nie erfahren.

Zu jener Zeit hätten Eltern allerdings auch nicht versucht, jene Übereltern zu sein, die sie selbst heute sein wollten, mit ihrem Anspruch, alles richtig machen zu müssen. Kinder wollen Grenzen überwinden und müssen dieses auch tun, verriet der Redner, es sei natürlich und gehöre zur Entwicklung. Eltern müssten sich davon frei machen, perfekt sein zu müssen. Viel wichtiger sei es, führte Jan Uwe Rogge aus, authentisch zu sein. Warum, so fragte er, soll man nicht einmal aus der Haut fahren? Kinder spürten es sowieso, wenn ihre Eltern sauer seien, da niemand sich so sehr verstellen könne.

In dem gut eineinhalbstündigen Vortrag verteilte Jan Uwe Rogge keine Patentrezepte für Erziehung und wer erwartet hatte, den Moralapostel zu hören, der die Eltern zu einem vorbildlichen Leben innerhalb von selbstgesetzten Grenzen verdonnern wollte, um den Kindern ein Vorbild zu sein, der fand auch dieses nicht. Vielmehr ermutigte der Erziehungsberater die Eltern, sich Grenzen zu setzen in Bezug auf ihren Anspruch, perfekte Eltern sein zu wollen. Locker und entspannt sollten sie die Erziehung angehen. Und so präsentierte sich auch sein unterhaltsamer Vortrag, wie die Lacher zeigten, die er fortwährend erntete. Nach der Pause stellte Jan Uwe Rogge sich den Fragen der Eltern, und um das Fragen zu erleichtern, forderte er sie auf, ihre Fragen anonym auf Zettel zu schreiben, die er sich dann nach und nach vornahm.

Die Veranstalter des Vortragsabends mit Jan Uwe Dogge, die Konrad-Adenauer-Hauptschule in Wenden, die Familienberatungsstelle Auf-Wind der Caritas Olpe und die Buchhandlung Zimmermann zeigten sich mit dem Erfolg des Abends mehr als zufrieden. Dass auch die 250 Besucher den Abend als einen Gewinn ansahen, zeigten neben der guten Stimmung im Publikum während des Vortrags die angeregten Diskussionen im Foyer des Schulzentrums während der Pause und das Interesse an den ausgelegten Büchern des Autoren.