„Der Ersatzdienst ist keine Drückebergerei“

Wenden (ei) Nur drei Länder auf der Erde anerkennen die Kriegsdienstverweigerung als Grundrecht. In der Bundesrepublik, in der das Recht der Waffendienstverweigerung nach den Erfahrungen des 2. Weltkrieges eingeführt wurde, leisten zur Zeit 70 000 junge Männer Ersatzdienst in sozialen Einrichtungen. Peter Hintze, seit 1983 Bundesbeauftragter für den Zivildienst, sprach gestern im Schulzentrum Wenden zu Schülern der 10. Klassen.

„Ich selbst würde zur Bundeswehr gehen“, sagte der Bundesbeauftragte zur Überraschung der Schüler. Doch er mußte nicht. Als Theologiestudent und später evangelischer Pfarrer war er vom Wehrdienst befreit. „Auch Bundeswehr ist Friedensdienst“, betonte der 36jährige Bonner Zivildienstbeauftragte ausdrücklich. Die Freiheit zu schützen sei durchaus christlich. Er teile im übrigen nicht die Meinung der Verweigerer, doch er trete für die ganze Verfassung und damit auch für die Rechte Andersdenkender ein. Hintze; „Bundeswehr und Zivildienst ist kein Gegensatz.“ Und die Tatsache, daß es den Zivildienst iiberhaupt gibt, sei ein Beweis für eine funktionierende freilieitliche Grundordnung.


Deshalb stellte er sich in Wenden auch schützend vor die große Mehrheit der Zivildienstleistenden, als von Schülern der Verdacht geäußert wurde, daß darunter wohl auch viele Drückeberger seien. Das sei ein schlimmes Vorurteil“, meinte Hintze und nannte das Beispiel des äußerst schweren Einsatzes von Ersatzdienstleistenden in Bethel und anderen sozialen Einrichtungen. 20 Monate dauert der Ersatzdienst und ist damit fünfMonate länger als der Wehrdienst. Da Gewissen nicht prüfbar sei, könne über einen längeren Dienst die Glaubwürdigkeit einer Gewissensentscheidung unterstrichen werden, sagte Hintze. Die inzwischen abgeschaffene Gewissenserforschung durch einen Ausschuß, vor dem der Kriegsdienstverweigerer sich auch unsinnigen Fangfragen stellen mußte, habe auch keine hundertprozentige Sicherheit gebracht. Und nur eine Gewissensentscheidung werde anerkannt, widersprach er der Vermutung, es handele sich um ein Wahlrecht zwischen Wehrdienst oder Sozialdienst.